• Arbeitskreis-Leiter: Thilo Hinterberger
  • Stellvertretender Leiter: Michael Nahm

Gegenstandsbereich

Die Parapsychologie befasst sich kritisch-empirisch mit gewissen umstrittenen psycho-physikalischen Anomalien, sogenannten Psi-Phänomenen (Irwin & Watt, 2007; Wolman, 1977). "Psi" (Ψ) ist ein Sammelbegriff für Außersinnliche Wahrnehmung (ASW, das Erlangen von verifizierbarer Information unter Ausschluss der bekannten Sinneskanäle) und Psychokinese (PK, die mentale Beeinflussung physikalischer Systeme unter Ausschluss bekannter physikalischer Erklärungen). Zudem befasst sich die Parapsychologie mit Phänomenen, die auf ein Weiterleben nach dem Tode hinzuweisen scheinen (Braude, 2003; Mattiesen, 1936-39). Die Parapsychologie als epistemologisch pluralistische Forschungspraxis unterscheidet sich deutlich von gewissen populären Repräsentationen, die die Parapsychologie irrtümlich mit New-Age- und ähnlichen Ideologien und Glaubenssystemen gleichsetzen (Collins & Pinch, 1979; Hess, 1993).

Geschichte

Angebliche Psi-Phänomene gehören zum Erfahrungs- und Kulturgut aller Zeiten und Völker und werden von Mitgliedern aller Bildungsschichten berichtet (Bauer & Schetsche, 2003; Belz, 2009; Cardeña, Lynn, & Krippner, 2000; Kohls, 2004; Prince, 1928; Zahradnik, 2007). Unter Mitbeteiligung des Moralphilosophen Henry Sidgwick wurde 1882 die erste wissenschaftliche Gesellschaft zur kritischen Erforschung angeblich übersinnlicher Phänomene, die noch heute bestehende britische Society for Psychical Research (SPR), ins Leben gerufen. Zwei Jahre später erfolgte unter Mitwirkung des Philosophen und Psychologen William James die Gründung der amerikanischen Schwestergesellschaft der SPR, die American Society for Psychical Research (ASPR). Unter den Mitgliedern der SPR befanden sich Sir Oliver Lodge, Sir William Crookes, Marie und Pierre Curie, Heinrich Hertz, Sigmund Freud, Carl Gustav Jung, Charles Richet, Henri Bergson und viele andere namhafte Wissenschaftler und Philosophen (Gauld, 1968; Williams, 1984).

Der Dachverband der modernen Parapsychologie, die 1957 gegründete Parapsychological Association (PA), versammelt als Mitgliedsgesellschaft der American Association for the Advancement of Science Natur- und Sozialwissenschaftler, die sich – aufgrund mangelnder Förderungsmöglichkeiten und Akzeptanz der Parapsychologie im wissenschaftlichen Mainstream – oft nebenberuflich mit parapsychologischen Forschungsthemen beschäftigen (Beloff, 1993; Mauskopf & McVaugh, 1980). Universitäre parapsychologische Forschungsabteilungen befinden sich aktuell u.a. in Edinburgh und Northampton in Großbritannien und an der University of Virginia in den Vereinigten Staaten.

In Deutschland existieren derzeit zwei akademische Einrichtungen, an denen parapsychologische Themen zu Forschungsschwerpunkten zählen. Beide sind in Freiburg im Breisgau angesiedelt. Das im Jahr 1950 von Professor Hans Bender (1907-1991) gegründete Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene (IGPP) arbeitet auf verschiedenen Ebenen mit der Freiburger Universität zusammen und unterhält Beziehungen zu zahlreichen weiteren internationalen universitären Forschungseinrichtungen. Das IGPP verfügt über eine der weltweit bedeutendsten Bibliotheken zur Parapsychologie und Anomalistik. Die Bestände sind der Öffentlichkeit frei zugänglich und wurden zu großen Teilen in die Universitätsbibliothek eingegliedert. Die zweite akademische Freiburger Institution mit einem parapsychologischen Forschungszweig wird durch die Sektion komplementärmedizinische Evaluationsforschung am Universitätsklinikum Freiburg repräsentiert.

Die Bedeutung der Stadt Freiburg für die deutsche Parapsychologie wird weiterhin durch die ebenfalls dort ansässige Parapsychologische Beratungsstelle unterstrichen. Gefördert vom Land Baden-Württemberg, bietet diese eine Beratung für Menschen, die glauben, ungewöhnliche, okkulte oder unerklärliche Erfahrungen gemacht zu haben und Hilfestellung für den Umgang mit ihren Erfahrungen benötigen. Die MitarbeiterInnen der Beratungsstelle informieren auch über gegenwärtige esoterische Strömungen und alternative Heilmethoden.

Zielsetzung des Arbeitskreises Parapsychologie

Unter Einbeziehung empirischer, konzeptioneller und historischer Überlegungen und Methoden sollen Interessenten über bisherige Forschungsergebnisse informiert und zum kritisch-selbständigen Denken in der Auseinandersetzung mit angeblichen parapsychologischen Erscheinungen ermutigt werden. Es sollen Forschungsinteressen gebündelt und ggf. in Forschungsprojekte umgesetzt werden.

Quellen

Bauer, E. und Schetsche, M. (Hrsg.) (2003). Alltägliche Wunder - Erfahrungen mit dem Übersinnlichen. Würzburg: Ergon-Verlag.

Beloff, J. (1993). Parapsychology. A Concise History. London: Athlone Press

Belz M. (2009). Außergewöhnliche Erfahrungen. Göttingen: Hogrefe.

Braude, S. E. (2003). Immortal Remains: The Evidence for Life After Death. Lanham, MD: Rowman & Littlefield.

Cardeña, E., Lynn, S. J., & Krippner, S. (Hrsg.). (2000). Varieties of Anomalous Experience: Examining the Scientific Evidence. Washington, D. C.: American Psychological Association.

Collins, H. M., & Pinch, T. J. (1979). The construction of the paranormal: nothing unscientific is happening here. In R. Wallis (Hrsg.), On the Margins of Science: The Social Construction of Rejected Knowledge (Sociological Review Monograph, vol. 27) (pp. 237-270). Keele: University of Keele.

Gauld, A. (1968). The Founders of Psychical Research. London: Routledge & Kegan Paul.

Hess, D. J. (1993). Science in the New Age. The Paranormal, Its Defenders and Debunkers, and American Culture. Madison: The University of Wisconsin Press.

Irwin, H. J., & Watt, C. A. (2007). An Introduction to Parapsychology (fourth ed.). Jefferson, NC: McFarland & Company.

Kohls, N. B. (2004). Außergewöhnliche Erfahrungen - Blinder Fleck der Psychologie? Eine Auseinandersetzung mit außergewöhnlichen Erfahrungen und ihrem Zusammenhang mit geistiger Gesundheit. Münster: LIT Verlag.

Mattiesen, E. (1936-39). Das persönliche Überleben des Todes. Eine Darstellung der Erfahrungsbeweise (3 Bde.). Berlin: Walter de Gruyter.

Mauskopf, S. H., & McVaugh, M. R. (1980). The Elusive Science. Origins of Experimental Psychical Research. Baltimore: Johns Hopkins University Press.

Prince, W. F. (1928). Noted Witnesses for Psychic Occurrences. Boston, MA: Boston Society for Psychic Research.

Williams, J. P. (1984). The Making of Victorian Psychical Research: An Intellectual Elite's Approach to the Spiritual World. Unpublished Ph.D. thesis, Cambridge University, Cambridge.

Wolman, B. B. (Hrsg.) (1977). Handbook of Parapsychology. New York: Van Nostrand Reinhold Company.

Zahradnik, F. (2007). Irritation der Wirklichkeit. Münster: LIT.